Gründe, Verschwörungstheorien zu folgen
Anhänger von Verschwörungstheorien findet man in unterschiedlichen Ausführungen. Quer durch Geschlecht, Herkunft, Alter, Bildungsgrad, Arbeitsbereich und politische Einstellung. Die Gründe sind denen, warum Leute auch Anhänger von Sekten oder fanatischen politischen Gruppen werden, teils recht ähnlich.
Einige sind wahr und es fällt uns schwer zu unterscheiden
Bei Wahlen wurde bereits betrogen, manche Ärzte schaden ihren Patienten, Regierungen verschweigen manche Dinge oder verbreiten sogar Lügen und es gibt (sexuellen) Missbrauch. Viele schlimme Dinge passieren auf der Welt und je mehr wir davon erfahren, umso mehr färbt das unsere Sicht. Nach und nach glauben wir, dass alles schlecht ist, trauen jedem alles zu und glauben leichter neue schlimme Vermutungen.
Es passieren auch sehr viele schöne Dinge, aber von denen zu berichten ist nicht so spannend und bringt meist weniger Geld. Negative Schlagzeilen triggern Angst bei uns, deshalb sind sie spannend. Um uns zu schützen, nehmen wir viel davon auf. Deshalb machen Medien auch viel Geld damit und auch andere Firmen machen mit Angst Geld.
Tipp: Achte auf deinen Fokus. Sei Detektiv für schöne Dinge! Unsere Stimmung ist abhängig von unserer Wahrnehmung und der Bewertung danach und von unseren Gedanken. Je mehr positive Dinge wir wahrnehmen, umso besser fühlen wir uns.
Sie geben uns die Illusion von Sicherheit und Kontrolle
Verschwörungstheorien zu folgen gibt uns das Gefühl, etwas ändern zu können. Wenn man es erstmal weiß, kann man sich ja dagegen wehren oder darauf vorbereiten. So schlingt man Theorie nach Theorie in sich und kauft Detoxpflaster, Anti-Ozon-Kristalle und hexagonales Raumspray.
Vieles ist unsicher in der heutigen Zeit und wir suchen nach Sicherheit. Manchmal fällt es uns sehr schwer, zu akzeptieren, dass wir nicht alles kontrollieren können. Vor allem ängstliche und zwanghafte Personen sind besonders anfällig für Verschwörungstheorien.
Tipp: Erkenne dein Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle. Akzeptiere, dass du manche Dinge nicht ändern/kontrollieren kannst. Desensibilisiere dich gegen die Angst. Hol dir Hilfe, wenn du alleine nicht mit deinen Ängsten klarkommst.
Sie geben uns ein Überlegenheitsgefühl
Nicht nur gibt uns das Wissen das Gefühl, uns vorbereiten zu können, es gibt uns auch das Gefühl, anderen etwas voraus zu haben. Man selbst blicke ja hinter all die Kulissen und sei erleuchtet.
Nicht selten hört man von Anhängern so etwas wie: “Du verstehst das einfach nicht!” oder “Du bist noch nicht soweit!”, wenn man Theorien für unwahr erklärt.
Sie geben uns ein Zugehörigkeitsgefühl
Man lernt dabei neue Leute kennen. Man gehört zu “den Erleuchteten” oder zum “Kreis der Eingeweihten”. Oft gibt es in diesen Gruppen aber nur die Theorien als Gesprächsstoff und weitere Grundsteine für Beziehungen fehlen. Auch verstärkt man sich gegenseitig und die Abwärtsspirale beschleunigt sich.
Tipp: Such dir lockere Hobbys und versuch darüber Anschluss zu finden!
Wir fühlen uns wie Beschützer
Indem wir informiert sind, können wir auch andere vorwarnen. Wir versuchen, andere aufzuklären und zu missionieren und denken, wir würden ihnen etwas Gutes tun und ihr Leben verbessern. Oft ignorieren wir dabei, ob diese Menschen auch überhaupt ‘gerettet’ werden wollen. Deshalb wirken Anhänger oft sehr militant, fanatisch, radikal oder extrem.
Uns fehlt Spannung / Leidenschaft / Sinn
Manchmal finden wir unser Leben vielleicht langweilig und suchen nach Spannung. Dinge, die uns Angst machen, sind sehr spannend. Oder uns fehlt die Leidenschaft im Leben. Oder wir suchen nach einem Sinn.
Tipp: Denk über deine Werte nach und wie du sie umsetzen kannst. Überlege dir, welche Hobbys du interessant findest. Setze dir kurz- mittel- und langfristige Ziele. Suche dir gezielt einen Missstand auf der Welt aus, bei dem du tatsächlich etwas bewegen kannst, und setze dich dann dafür ein. Zum Beispiel in einer karitativen Organisation oder als Ehrenamtlicher im Tierheim, Altendienst, etc.. Oder schau einen Horror-Film 😉
Die Fachbegriffe klingen nach Kompetenz
Es werden gerne Fachbegriffe aus den Naturwissenschaften entlehnt, damit das Ganze professionell klingt. Da Laien nicht erkennen, ob es sich bei Begründungen durch Quantenphysik um etwas Plausibles oder Betrug handelt, wird sich daran besonders gern bedient. Auch werden Aussagen berühmter Wissenschaftler aus dem Kontext gerissen und für eigene Zwecke genutzt. Auch Fachleute, die selbst an wissenschaftlich nicht nachweisbare Dinge glauben, werden zur Werbung genutzt.
Manipulative Formulierungen werden genutzt
Da viele mit Verschwörungstheorien Geld machen wollen, werden Texte sehr überlegt formuliert. Sie sollen manipulieren und zu Käufen animieren. Oft ist dies sehr schwierig zu durchschauen. Die Formulierung soll in erster Linie Angst machen und danach wird eine Lösung geboten, um die Angst wieder zu reduzieren. Dies wirkt eventuell sogar hilfsbereit und man entlarvt es nicht als Verkaufsmasche.
Die verzweifelte Suche nach Antworten / Heilung führt uns hin
Manchmal befinden wir uns vielleicht in einer Krise und suchen nach Heilung. Wir sind müde von langen Arzt-Marathons ohne zufriedenstellendes Ergebnis. In solchen Situationen sind wir sehr empfänglich für charismatische Reden von inspirierenden Führern.
Tipp: Wende dich an nahe Angehörige und such professionelle Hilfe auf. Die Therapeutensuche ist mühsam, die Wartezeit lange und manchmal klappt die Zusammenarbeit mit dem ersten Therapeuten nicht. Vielleicht auch mit dem zweiten und dritten nicht. Aber dranbleiben lohnt sich!
Die Frustration von klassischen Modellen treibt uns hin
Vielleicht sind wir auch frustriert von der aktuellen Politik. Auch dann neigen wir dazu, Alternativen zu suchen. Man muss nicht selber denken, sondern kann sich einfach dem Dogma des Anführers bzw. den Regeln der Gruppe unterwerfen. Die Ironie dahinter: In Verschwörungsgruppen wird dieser Umstand verdeckt durch Aussagen wie: “Denkt selber, die Anderen (in dem Fall die Nicht-Anhänger) laufen blind ‘dem System’ / ‘dem Kommerz’ / ‘der Politik’ etc. hinterher!” Solche Aussagen verstärken das Überlegenheitsgefühl und das Gefühl, autonom zu denken. Meist sind solche Systeme und deren Anführer aber sehr rigide und akzeptieren wenig Gegenmeinungen. Diese werden oft abgetan mit: “Du steckst da mit drin!” oder “Das gehört zur Vertuschung!”
Tipp: Schau dir andere Modelle an. Picke dir aus diesen jeweils das für dich Beste heraus. Unterschiedliche Denkweisen bereichern uns. Erst wenn wir zu tief in manche Überzeugungen hineintauchen, kann dies ungesunde Folgen haben.
Nachteile
- Die Ängste vermehren sich, da sie nicht nachhaltig therapeutisch behandelt werden, sondern nur mit Placebos und Pseudo-Praktiken kurzzeitig beruhigt werden. Das generelle Angstgefühl verstärkt sich. Auch durch die gegenseitige Bestätigung der Mitglieder oder durch den Anführer werden die Ängste und Befürchtungen verstärkt.
- Man überfüllt sich mit vielen schlimmen Theorien, will immer mehr davon, um sich zu schützen, und rutscht nach und nach in eine Depression.
- Bei den Theorien handelt es sich oft um Themen, bei denen praktisches Handeln schwierig ist. Sie lenken ab von Missständen, bei denen man durch Anpacken etwas ändern könnte. (zB Altenpflege, Suppenküche, Tierheim, Seelsorge, etc.)
- Man wird manipuliert für fremde Zwecke. Manche Gruppen/Anführer wollen ihre Anhänger befreien von der Manipulation des “Systems” beispielsweise und manipulieren ihre Anhänger selbst zur Genüge. Die Freiheit ist nur Schein, man wechselt lediglich seinen Herrn. Es ist heutzutage mit den vielen Medien umso schwieriger, sich eine wirklich ‘eigene’ Meinung zu bilden. So viele Einflüsse wirken auf uns ein. Die Kunst ist, die Beeinflussungen zu bemerken, sich die Meinungen anzuhören, Fakten zu finden und sich so aus allem Wissen, allen Erfahrungen und der eigenen Intuition selbst ein Bild zu machen.
- Man gibt unter Umständen viel Geld für die Erleichterung der Ängste aus. Beispielsweise für teures Equipment im Falle eines Blackouts.
- Man vernachlässigt seine Familie, den Partner und seine Freunde. Man streitet mit Leuten anderer Meinung, grenzt sich selbst aus und wird ausgegrenzt von anderen. Es bleibt einem nach und nach nur mehr die Gruppe, und man rutscht immer tiefer in die Dynamik.
- Man vernachlässigt sich selbst. Die Werte der Gruppe oder des Anführers werden zu den eigenen oder man kommt nebenbei zu nichts anderen mehr, weil die umfangreichen Theorien und die Vorsorge zu viel Zeit beansprucht.
- Man ist so vereinnahmt von den Theorien, dass man es schwer hat, andere Gesprächsthemen mit Menschen zu finden. Durch die hohe Spannung der angstmachenden Themen bleiben diese dauerhaft im Kopf präsent. Jegliche schöne Zeit zusammen (aber auch alleine) sowie die so wichtigen Erholungsphasen gehen nach und nach verloren.
Was kannst du tun, wenn du mit solchen Theorien konfrontiert wirst?
- Überlege, ob die Theorie logisch ist
- Überlege, (ob) wer was davon hat
- Recherchiere auf Plattformen, die sich mit der Aufdeckung von Fake-News beschäftigen
- Merke, wenn es dir zuviel wird und grenze dich ab
Was kannst du tun, wenn du aus solchen Gruppen aussteigen willst?
Achte darauf, wie es dir geht. Wenn es dir super geht, brauchst du auch nichts ändern. Wenn du aber merkst, es tut dir nicht gut, dann ändere etwas.
- Erkenne, dass dir dein Hobby nicht gut tut
- Überlege, warum du dieses Hobby hast und wie du das Bedürfnis dahinter anders befriedigen kannst
- Reduziere die Zeit, die du mit den Theorien verbringst
- Öffne dich wieder für andere soziale Kontakte
- Lies Ratgeber (zum Thema Angst)
- Nutze Beratungsstellen
- Suche einen Therapeuten auf, um an deinen Ängsten zu arbeiten
Empfehlung zum Weiterlesen
Shermer, M. (2022). Conspiracy: Why the Rational Believe the Irrational. Johns Hopkins University Press.